Crochetage-Zeichen

EKG-Beispiel
Crochetage in Abl. II, III und aVF
Das Crochetage-Zeichen ist eine charakteristische Kerbung des QRS-Komplexes in den inferioren Ableitungen bei Menschen mit Vorhofseptumdefekt (ASD). Es wurde zwar schon 1959 beschrieben, seine Relevanz für die Erkennung von ASD aber erst in den letzten Jahren wieder entdeckt.

Definiert ist das Muster als schnelle Auf- und Abwärtsbewegung der R-Zacke im ansteigenden Teil oder in der Nähe des Zenits mit M-förmigem oder biphasischem Muster in der typischsten Form und immer unter Einbeziehung der ersten 80 ms des QRS-Komplexes.

Die Aussagekraft des Crochetage-Zeichens variiert mit der Anzahl der betroffenen EKG-Ableitungen. Bei nur einer Ableitung liegt die Sensitivität zur Erkennung eines ASD bei 73.1 %, die Spezifität bei 92.6 %. Bei drei Ableitungen beträgt die Spezifität nahezu 100 %, die Sensitivität aber nur 27.8 %. (Heller J et al. 1996)

Hintergrund

1959 veröffentlichte Antonio Rodriguez-Alvarez (Forth Worth) einen Preliminary Report über eine Kerbung des QRS-Komplexes bei 11 Patienten mit Vorhofseptumdefekt (ASD) und nannte sie Crochetage, franz. u. a. für Haken oder Häkchen. (Rodriguez-Alvarez A et al. 1959)

Joseph Heller (Paris) hat 1996 die Ergebnisse einer retrospektiven Untersuchung der EKG von 1560 Jugendlichen und Erwachsenen mit und ohne Herzerkrankung vorgestellt: das Crochetage-Zeichen fand sich bei 73.1 % der Menschen mit ASD II (n=532), 35.7 % mit VSD (n=266), 23.3 % mit Pulmonalstenose (n=146), 6.4 % mit Mitralstenose (n=110), 10.6 % mit Cor pulmonale (n=47) und 7.4 % ohne Herzerkrankung (n=459). Je größer ASD-Defekt (p < 0.0001) oder Links-Rechts-Shunt (p < 0.0001) waren, desto häufiger war das Crochetage-Zeichen. War es in allen drei inferioren Ableitungen vorhanden, lag die Spezifität des Zeichens bei ≥92 %. (Heller J et al. 1996)

1998 konnte Hakan Ay (Boston) bei 60 Patienten nach kryptogenem Schlaganfall auch eine signifikante Beziehung des Crochetage-Zeichens zum offenen Foramen ovale (PFO) nachweisen. In mindestens einer Ableitung war es bei 10 von 28 PFO-Patienten (36 %) und 3 von 32 Kontrollen (9 %) vorhanden (P<0.05). Sensitivität, Spezifität und positiver prädiktiver Wert des Zeichens betrugen 36 %, 91 % und 77 %. (Ay H et al. 1998)

In den letzten Jahren erlebte das Crochetage-Zeichen durch eine ganze Reihe an Fallberichten und Erwähnungen in Internet-Blogs ein spätes, in meinen Augen aber sehr verdientes Revival. (Bhattacharyya PJ 2016, Raut MS et al. 2017, Singh H et al. 2019, Smith S 2020, Sarma A 2021, Buttner R et al. 2022)

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